My tribute to die Ärzte

Ich hab mich hier schon an anderer Stelle als Ärzte-Sympathisant geoutet, und da dieses Tribute to die Ärzte Festival mit 17 Bands bereits zum 2 Mal ohne mich stattfand, musste ich diesmal einfach hin. Ich konnte sogar noch zwei Freunde dazu überreden sich mit Mitte 30 an die eigene Teenagerliebe zu erinnern. Als wir also zu Dritt um 19 Uhr in der etwas zwiespältigen Kulturbrauerei eintrafen, waren wir davon überzeugt, niemanden anzutreffen den wir kennen – das sollte sich auch bewahrheiten. Die Stimmung fühlte sich schon total Ärzte-mässig an: Also überall Teenager mit Irokesen-Frisuren und ein Attac Stand zum Thema G8-Gipfel. Nach den ersten (Schul-)Bands mit absehbaren Namen wie „Schrottkopf“ oder „Höhrsturtz“ waren wir synchronisiert: Während der Umbaupause holte Steffen und ich abwechselnd ein neues Bier – Andi zog sich mit „bin-von-gestern-noch-so-verkatert“ aus der Affäre und murmelte was von Kaffeetrinken. „Anneliese Schmidt“ (leider furchtbar gesungen) „Micha der Cowboy“ und andere Highlights aus dem gigantischen Ärzte-Repertoire wurden gespielt. Die nächste Band rekrutierte fünf Mädchen aus dem Publikum, die auf der Bühne den Refrain eines sehr alten Songs ins Mikro singen sollten: Da standen dann also 5 Schülerinnen und sangen lauthals „… mir ist so warm im Darm – mit seinem Samen im Darm“.

Was die ganzen Teenager da an Party mobilisierten war beachtenswert: Während wir noch immer im Seniorensektor (hinten-oben auf der Galerie) standen und uns am Becks festhielten, war ungefähr exakt die vordere Hälfte der Halle ein Pogo-tanzender wabernder Moshpit. Irgendwann nach der vierten oder fünften Coverband waren wir dann auch bei der sich bewegenden Masse und stellten lauthals unsere Text-Unsicherheit zur Schau. Ein Superabend, der auch von sporadischen schlechten Bands nicht zu entwerten war. Gegen Ende wurden die Bands dann allerdings immer unterwürfiger: Jede eigene Note sofort im Keim ersticken um möglichst exakt wie die originalen Ärzte zu klingen. So haben wir um 1 Uhr das Festival verlassen um später bei Falafel und Scotch zu landen – Aber das ist eine andere Geschichte…

Hommage an die beste Band der Welt

Nachdem sie mir in den letzten Tagen gleich zweimal begegnet sind, fühle ich mich nun genötigt ein paar Zeilen über Die Ärzte zu schreiben. Am Mittwoch sah ich Farin Urlaub der als Undercover-Gast beim Isis-Konzert in Berlin war. Sein immerblondes Haupthaar war durch eine Baseballmütze getarnt als er direkt neben mir an seinem Mineralwasser nippte. Dann habe ich mich letzte Nacht verzappt und bin beim WDR-Rockpalast gelandet wo es eine Übertragung vom diesjährigen Rock am Ring Festival gab. Die Ärzte kündigen den letzten Song an, und da ich ihn nicht kenne, schalte ich wieder zurück zum aufgenommenen David Lynch Tracks Special. Nach einer Stunde (und Tracks) schau ich noch mal beim WDR rein und die Ärzte spielen immer noch! So kennt man sie: Kein Konzert unter 2 1/2 Stunden.

Wenn ich auch das Schaffen der Ärzte in den letzten 10 Jahren nur marginal beobachtet habe, so bin ich doch ein Ärzte Fan der ersten Stunde („Rotes Kreuz“, „Im Schatten der Ärzte“ und so…). Im Rockpalast musste ich dann feststellen, dass sie Ihre Liveshows wirklich bis zum Maximum perfektioniert haben: Eine irrsinnige Dramaturgie gefüllt mit spontaner Kreativität (Songtext Modifikationen), Blödsinn (Moderationen), Vulgaritäten („Fotzenhammer“), Trash (United!) und echt gut gemachter Musik. Jede noch so alte Textzeile wird neu variiert, aktuell angepasst und Moderation, Blödelei und die eigentlichen Songs werden zu einem undifferenzierbaren Gesamterlebnis. Dabei scheinen Bela, Farin und Rod so aufeinander abgestimmt, dass jeder Break auch wieder mit gemeinsamer Kraft aufgelöst wird. Zum Vergnügen der Fans wird, ohne Scham, jeder spontane Einfall einfach rausgeprustet. Sie haben offensichtlich extrem viel Spaß auf der Bühne. Viel wichtiger noch: Die Ärzte haben und hatten immer eine Haltung. Im Vergleich zu vielem Chart-Trash (den ich glücklicherweise gar nicht mehr kenne) taugen die Ärzte auch heute noch als Vorbildfunktion für freies und kreatives Denken. Man kann sich entweder Farin anschließen (Anti-Alkoholiker, Vegetarier, Nichtraucher, Hyperaktiv) oder es Bela gleich machen (Whiskey, Rotwein und alles was sonst Spaß macht). Jedenfalls haben die Ärzte schon immer Ihr Ding gemacht, und eben nicht das der Musikindustrie, Medien, Fans oder ihrer Bankberater. Es ist erfrischend zu sehen, dass die Ärzte auch in fortgeschrittenem Alter und mit Mega-Erfolg ausgestattet, noch sehr freie Menschen geblieben sind, die sich ihre eigene lebensbejahende Realität weiter ausgebaut haben.

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Männer haben kein Gehirn

Die Ärzte sind cool, waren immer cool (bis auf Sahni) und werden vermutlich auch im hohen Alter noch cool bleiben. Denn die Ärzte verkörpern das kompromisslose Lustprinzip: Bedingungslos das tun, was man tun will.

Wenn ich auch inzwischen das musikalische Werk der Band nicht mehr wirklich verfolge, so war ich natürlich als Teenager auch totaler Ärzte-Anhänger. Das war damals eine zentrale Entscheidung: Entweder man Stand im Lager der Toten Hosen (= humorlos, proletarisch, dumpf, simpel, Altbier, gradlinig) oder eben bei Die Ärzte (= humorvoll, twisted, komplex, verspielt, spaßig).
Männer haben kein Gehirn

Und um den wirklich absurden Humor der Ärzte selbst zu erhören, könnt ihr euch die Liveplatte der Lesereise zum Buch „Ein überdimensionales Meerschwein frisst die Erde aufselbst runterladen. Ein grandioses Spektakel der besonders absurden Art zwischen Monty Python und Dadaismus.

>> Download „Männer haben kein Gehirn“ [mp3 im ZIP-Archiv]