Moderner Strassenkampf

Wenn ich die Kastenienallee entlang geh, dann sind die öffentlichen Flächen oft voll wie Supermarktregale mit netten, coolen, glänzenden, subversiv schreienden Schauherkonkurrenten. Da ist die S*i*l*b*e*r*m*o*n*d-Aktion nicht die einzige:

Death to the 60s...
Thirty one twenty one - Prince zurück auf der Strasse - dank Universal Berlin?
Wer beobachtet hier eigentlich wen? Hard-Fi uns oder wir sie?
Have a nice day? Mit Bon Jovi? Nee, du...

Ich finds schade, daß sich kommerzielle Werbung zunehmend der gleichen Sprache bedient und vor allem den gleichen Raum in Beschlag nimmt, der bisher mehr von politischen, kulturellen und pupertären Themen geprägt ist/war. Ich frag mich allerdings, ob Werbeinhalte dadurch wirklich ehrlicher und authentischer werden als bloß im offensichtlich definierten „Achtung Werbung“-Rahmen der Billboards und Werbetafeln. Vermutlich liegts einmal mehr daran, daß die gleichen Leute an beidem beteiligt sind – am Ausverkauf der selbst inszenzierten Kultur

Also was soll´s? Das ganze dient wohl alles dem Prinzip Aufmerksamkeit: eine Schablone als Hop, damit andere drüber reden (wie wir jetzt), auch gerne durchs (rechtliche?) Anecken = einem Skandal, denn bad news are good news = news überhaupt.

Ich frag mich grundsätzlich, ob zb Demonstrationen gegen zb McDonalds (meist visuell begeitet durch durchgestrichene oder karrikierte Logos) in ihrer Richtung stimmig sind  – schließlich bringt´s dem Angefeindeten Aufmerksamkeit – egal welcher Qualität, ob gut oder schlecht – die Blickrichtung bleibt die gleiche. Besser für etwas als gegen etwas und unter diesem Mantel erst mit dem Finger auf die Rückständigen zeigen…

Werbung im öffentlichen Raum geschieht hier gerade in großer, medienübergreifender Durchdringung inkl. Pseudokunstwerk am Potsdamerplatz. Und – nein – es ist keine neue Zeitschrift und kein neuer Kaffee. Es geht einfach nur um Volvos – und ein Freund hat zu Recht bemerkt: schon frech mit Natur & Stille für ein Auto zu werben, daß nur Dreck & Lärm macht. Alle auf der Wellnesswelle der emotionslosen Gesellschaft. Alles nur für Geld.

Doch: der wache *User* wird sich davon nicht *kriegen* lassen. Jeder muß (nicht aus Pflicht, sondern zur Befreiung) für sich selbst rausfinden, was er davon hält. Und nur „cool finden“ akzeptiere ich nicht als Haltung. 

Wenn ich mir jetzt nochmal ganz kurz versinnbildliche, wie die Kastanienallee ohne Plakate, Aufkleber, etc aussehen würde – no logo – so erschreckend leer, aber frei. Wobei ich mir gerade nicht sicher bin, was mehr inspirierend wirkt – alles oder gar nichts? Eins ist jedoch sicher – nur Werbung allein macht muntere Geister müde – das kann jeder gern in Städten wie München oder gleich umme Ecke in Charlottenburg erleben… und doch bringt ein Spruch wie „Die Zukunft ist weiblich“ meine Zellen wesentlich netter in Wallungen als ein schnöder HaveANiceDayBonJovi-Aufkleber.

Immens intelligent

Das Tram-Wartehäuschen der Wall AG (die machen ja auch in junkiefreie Stadtklos) Ecke Kastenienallee / Schönhauser ist scheinbar intelligent, was es (schlau wie es ist) über eine Display alle 20 Sekunden kundtut. Außerdem kennt es das aktuelle Datum, die Uhrzeit, den Wochentag und die Außentemperatur. Wenn man bedankt, daß ich selbst ab und an den aktuellen Wochentag oder das Datum nicht kenne und auch bei Uhrzeiten oft ebenfalls weit davor und damit daneben liege (von meinen 3 Außentemperaturen – zu kalt, zu warm, echt ok – ganz zu schweigen), dann trifft es schon zu, daß so ein Wartehäuschen als immens intelligent bezeichnet werden könnte.

Kastanienallee: endlich tiefer gelegt und umbenannt

Die Vorzeigestraße im Extremszenekiez Prenzlberg: die Castingallee

Jetzt ist´s quasi offiziell: die Kastanienallee heißt ab sofort Castingallee. Wurde ja auch Zeit, daß der Name dem eigenen Klischee angepaßt wird. Und dennoch: seltsam wehmütig erscheinen mir die Zeiten als die selbe Straße auch Kaninchenallee genannt wurde (vor allem postalisch). Muß noch zu Stallzeiten gewesen sein.

Übrigens: besten Gruß an den Kollegen, der direkt vor mir das Schild digitaltechnisch auf Karte bannte.