Schwule Organspender-Teletubbies im Kreationisten Museum

Das sensationell gute Fernsehmagazin Kulturzeit (fast täglich auf 3sat) hat mich gestern kalt erwischt: Die Kurzbeiträge der Rubrik Kulturzeit News waren so absurd, dass ich nicht mehr wusste, ob ich lachen oder weinen soll.

(1) Organspender TV-Show in Holland
Eine todkranke baldige Nierenspenderin entscheidet in einer TV-Show welcher Kandidat ihr Organ bekommen wird. Es gibt auch ein Zuschauervotum. Eine EU-Kommission befasst sich jetzt damit, wie das mit der Europa-Ethik zusammengeht. Interessantes Detail: Der Gründer der TV-Station ist an einem Nierenleiden gestorben.

(2) Schwule Teletubbies
Eine Kinderrechtsbeauftragte in Polen befürchtet, dass die Teletubbies schwul sind und so, via TV, subversiv die Homorevolution unter die Kindern streuen – schließlich trägt eine der TV-Figuren eine Handtasche! Nicht so lustig hingegem, ist die Jagt auf Homosexuelle, die wohl gerade durch die polnischen Gesetzgebung legitimiert wird.

(3) Erstes Kreationisten Museum in den USA
In Petersburg (vermutlich irgendwo im Mid-West der USA) wurde ein Museum zum Kreationismus eröffnet, das den Glauben an die göttliche Schöpfung wissenschaftlich belegt. Das so genannte „Intelligent Design“ wendet sich gegen Darwin und die Evolutionstheorie und belegt die Schöpfung der Erde in 6 Tagen. Gegen das Museum wird glücklicherweise auch von Lehrern und Wissenschaftler demonstriert. Dieser göttliche 6-Tage-Schöpfungsprozess wird bereits in einigen Schulen der USA gelehrt. Dem Wired Magazin (leider Artikel nicht online) entnehme ich, dass in den USA nur 40% der Menschen an die Evolutionstheorie glauben – in Deutschland sind es knappe 75%.

[via Kulturzeit News Online ]
Dort auch jeweils weiterführende Links – Eine Top-Website sowieso!

Moderner Strassenkampf

Wenn ich die Kastenienallee entlang geh, dann sind die öffentlichen Flächen oft voll wie Supermarktregale mit netten, coolen, glänzenden, subversiv schreienden Schauherkonkurrenten. Da ist die S*i*l*b*e*r*m*o*n*d-Aktion nicht die einzige:

Death to the 60s...
Thirty one twenty one - Prince zurück auf der Strasse - dank Universal Berlin?
Wer beobachtet hier eigentlich wen? Hard-Fi uns oder wir sie?
Have a nice day? Mit Bon Jovi? Nee, du...

Ich finds schade, daß sich kommerzielle Werbung zunehmend der gleichen Sprache bedient und vor allem den gleichen Raum in Beschlag nimmt, der bisher mehr von politischen, kulturellen und pupertären Themen geprägt ist/war. Ich frag mich allerdings, ob Werbeinhalte dadurch wirklich ehrlicher und authentischer werden als bloß im offensichtlich definierten „Achtung Werbung“-Rahmen der Billboards und Werbetafeln. Vermutlich liegts einmal mehr daran, daß die gleichen Leute an beidem beteiligt sind – am Ausverkauf der selbst inszenzierten Kultur

Also was soll´s? Das ganze dient wohl alles dem Prinzip Aufmerksamkeit: eine Schablone als Hop, damit andere drüber reden (wie wir jetzt), auch gerne durchs (rechtliche?) Anecken = einem Skandal, denn bad news are good news = news überhaupt.

Ich frag mich grundsätzlich, ob zb Demonstrationen gegen zb McDonalds (meist visuell begeitet durch durchgestrichene oder karrikierte Logos) in ihrer Richtung stimmig sind  – schließlich bringt´s dem Angefeindeten Aufmerksamkeit – egal welcher Qualität, ob gut oder schlecht – die Blickrichtung bleibt die gleiche. Besser für etwas als gegen etwas und unter diesem Mantel erst mit dem Finger auf die Rückständigen zeigen…

Werbung im öffentlichen Raum geschieht hier gerade in großer, medienübergreifender Durchdringung inkl. Pseudokunstwerk am Potsdamerplatz. Und – nein – es ist keine neue Zeitschrift und kein neuer Kaffee. Es geht einfach nur um Volvos – und ein Freund hat zu Recht bemerkt: schon frech mit Natur & Stille für ein Auto zu werben, daß nur Dreck & Lärm macht. Alle auf der Wellnesswelle der emotionslosen Gesellschaft. Alles nur für Geld.

Doch: der wache *User* wird sich davon nicht *kriegen* lassen. Jeder muß (nicht aus Pflicht, sondern zur Befreiung) für sich selbst rausfinden, was er davon hält. Und nur „cool finden“ akzeptiere ich nicht als Haltung. 

Wenn ich mir jetzt nochmal ganz kurz versinnbildliche, wie die Kastanienallee ohne Plakate, Aufkleber, etc aussehen würde – no logo – so erschreckend leer, aber frei. Wobei ich mir gerade nicht sicher bin, was mehr inspirierend wirkt – alles oder gar nichts? Eins ist jedoch sicher – nur Werbung allein macht muntere Geister müde – das kann jeder gern in Städten wie München oder gleich umme Ecke in Charlottenburg erleben… und doch bringt ein Spruch wie „Die Zukunft ist weiblich“ meine Zellen wesentlich netter in Wallungen als ein schnöder HaveANiceDayBonJovi-Aufkleber.