Zügeln in Berlin

Nach 7 Jahren bin ich nun innerhalb Berlins umgezogen (schweizerdeutsch: zügeln). Vom durchgentrifizierten Prenzlauer Berg in einen nicht wirklich angesagten Teil von Berlin Mitte. Hier in der neuen Wohnung stehen noch ca. 70 ungeöffnete Umzugskartons herum und es lebt sich leicht provisorisch, wenn auch mit viel mehr Platz.

Gleichermaßen merkwürdig wie auch toll ist die Tatsache, dass ich mich in der neuen Wohnung schon so fühle als würde ich schon ewig hier wohnen. Ich liebe diese Wohnung! Und inzwischen auch die Lage! Ein schönes Ende für einen unendlich scheinenden Wohnungssucheprozess, der sich über 6 Monate, 40 besichtigte Wohnungen und unzählbare Stunden hingezogen hat. Auch die beachtlichen Kosten für Umzug, neue Möbel, Provision und den ganzen Rest scheint im hellen Licht der neuen Wohnung etwas weniger schmerzlich. Gemeinsam mit der Gefährtin haben wir viel Zeit und Energie investiert und damit die zu uns passende Wohnung gefunden. Danke auch an alle Hinweisgeber und Unterstützer, die wesentlich zum Gelingen dieser Aktion beigetragen haben.

Nestbeschmutzung

Aufwachen gegen 7 Uhr weil die Bauarbeiter sich gegenseitig anschreien und die ersten motorbetriebenen Bauwerkzeuge rattern. Bei den momentanen Nachttemperaturen oberhalb der 20°C, lass sogar ich das Fenster offen (eigentlich bin ich sehr geräuschempfänglich und daher bleibt es sonst zu). Daher trennen mich nur ca. 50 Meter Luftlinie von den Gerüsten, an einem der letzten unsanierten Häuser in der Straße.

Aber erst wenn das letzte Dachgeschoss ausgebaut, die hundertste Weinhandlung einen günstigen Imbiss verdrängt, und die Straßen nur noch mit flotten Audi TTs und SUVs beparkt sind – erst dann werden die Zugezogenen merken, dass sie auch gleich nach München hätten ziehen können.

Prenzlauerberg gentrifiziert!

Gentrifizierung fördert solch Statements zu Tage – zumeist denk ich dabei: zu recht und ich mitten drin!

Das Snob Stop Schild
Oderberger Strasse. Snob-Stop.

Die Yuppisierungs-Schablone
Fehrbelliner Strasse. Yuppies über alles!?

(Jaja ich weiß… Schild und Schablone sind schon wieder ein Stückchen alt – mit 240h-Tag und 5h Schlafbedarf wärs ja auch kein Problem das früher zu posten…)

Berliner Fast-Food-Trends

Dönerbuden waren irgendwie sowieso schon immer da. Vor 5 Jahren schossen dann überall Sushi-Läden aus dem Berliner Boden. Die letzten Jahre hat der Pizza/Focaccia-Hype (natürlich nur mit „hausgemachtem Teig“ und „by-the-slice“) den gesamten Prenzlauer Berg durchsetzt. Man kann kaum noch 100 Meter laufen ohne auf ein Ladenlokal mit Steinofen zu treffen. Momentan eröffnen überall Hamburger-Bruzzler nach US-Vorbild: Diner-Look, viel Fleisch (klar, auch Bio), große Softbrötchen und rote Plastikketchupflaschen am Tresen. Gerne wird auch mit lokalen Bezügen gespielt: Marienburger in der Marienburger Strasse oder Kreuzburger in Kreuzberg.

Was kommt als nächstes?
Für alle Wannabe-Imbissbesitzer verrät Dataloo die nächsten Berliner Fast-Food-Hypes:

    1. Burrito
    Die TexMex-Küche der 80er und 90er Jahre kommt als Fastfood-Variante zurück.
    2. Bio-Whatever
    Alles wird als Bio-Edition angeboten: Bio-Döner, Bio-Pommes, Bio-Currywurst…
    3. Edel-Sandwiches
    Also nicht der Trash der Bäckereien, sondern frisch, knackig und gesund.

Und erzählt mir in 3 Jahren nicht, ihr hättet von nichts gewusst!

Essen, jetzt!

Heute bin ich psychisch angeschlagen. Und da reicht es auch nicht, dass mein Blick auf die Welt2007 sowieso schon melancholisch verdunkelt ist – nein, da muss ich dann auch noch im Tassili beim Bezahlen in ein trauriges Gesicht sehen. Ich habe doch nur den extrem leckeren Schawarma ausdrücklich und in höchsten Tönen gelobt, und da meint der Besitzer resigniert „Das reicht leider nicht…“. Er sagt, er hält das noch maximal 2 Monate durch: Einfach zu wenig Gäste, und das obwohl er nur hochwertige und frische Zutaten benutzt. Ich war da jetzt 4 Mal Essen und Falafel, Schawarma, Couscous und Oliventagine waren jeweils außerordentlich gut, also wirklich weit oberhalb der Norm. Besonders fallen die raffinierten Soßen und das Couscous auf. Mittelmäßigen Fressläden dürfen gerne wieder verschwinden, die guten und engagierten müssen bleiben! Wer hier im Kietz wohnt, sollte da unbedingt mal hingehen und bitte auch weitersagen.

Tassili – Arabische Spezialitäten (Imbiss und Restaurant)
Danziger Strasse 36, 10435 Berlin

Mundwinkel drehen von unten nach oben

Dieses Jahr schon 10 Tage früher als im letzten Jahr: In Berlin trägt man die Mundwinkel wieder nach oben – der Frühling ist da.
Und die bei der konzentrierten Arbeit wirklich extrem störenden Straßenmusikanten sind auch schon wieder auf ihren Wir-nerven-Mac-Touren.

Mein lieber Schieber!

Bin in meiner schönen oberschwäbischen Kindsheimat einmal mehr auf einen alten Spruch gestossen: Mein lieber Schieber! Ursprünglich hatte der bestimmt mit dem Stehblues was zu tun, der um die letzte Jahrhundertwende auch unter dem Namen Schieber geläufig war…
Mein lieber Schieber! Was geht da denn?

Außerdem paßt der Spruch ganz prima auf die Vorgänge im Prenzlberg Kiez:

Kinderwagenschieber in engstem Kontakt mit ihrem Wagen wo die hin schaust. Kinderwagenschubser erscheint mir ebenfalls eine treffende Bezeichnung. Nichtsdestotrotz (ein Superwort!) sind diese Vorgänge für die einen eine wahre Freude, für die anderen aber sicherlich gleichzusetzen mit vielen parallel stattfindeten Weltuntergängen… Selbst manche Läden setzen Kinderwagen auf eine Ebene mit Kacktölen… dabei liegen Menschlein in den Wägen… don´t forget…