Fernweh

Ich mag dieses Bild von nomadisierenden Westentaschen-Philosophen, die durch die schäbigen Fenster eines billigen Hotels auf das Meer schielen, und nebenher Gedanken von kristalliner Reinheit auf ihren Schreibmaschinen, oder von mir aus auch Laptops, tippen. Die pure Essenz des Lebens die sich erst erfühlen lässt, wenn man sich ohne Rückzugmöglichkeit dem Augenblick an den Hals schmeißt. Die unendliche Anzahl an bereichernden Begegnungen, die vielleicht in der nächsten Bar oder auf der Straße oder wer weiss wo auf einen lauern könnten. Oder die tiefen Einsichten die sich beim meditativen Blick ins Meer wie von selbst zusammenfügen und Klarheit in ein unordentliches Weltbild bringen.

Trash Revue – Alles neu Extravaganza

Berlin, Hauptstadt des Trashs – Hier muss man sich kulturell nicht mit konventionellem begnügen, sondern kann sich an professionellem Dilettantismus erfreuen. Gestern spontan für einen Abend in der Volksbühne entschlossen: „Alles neu Extravaganza Vol. 1“.

Erfrischend unvorbereitet und ohne Überblick über den Ablauf des Abends moderiert sich Francoise Cactus (Stereo Total) mit ihrem Schmidt-Sidekick-Fransösisch ins Chaos. Sie bittet irgendwann Gina V. D’Orio auf die Bühne, die dort auf einer Schaukel zwei nette minimalistische Coversongs zum Besten gibt. Dann ein Knet-Animationsfilm auf der heruntergelassenen Filmleinwand und schließlich das erste Highlight des Abends: Die New Yorkerin „Little Annie“ die uns mit ihrer Tiefe fasziniert. Mit ihrem leicht hyperaktiven Pianisten reduziert sie Klassiker auf das Maximale: Gesang und Klavier. So werden aus „Private Dancer“ (T. Turner) und „I Still Haven’t Found What I’m Looking For” (U2) intensive Minuten die auf meinem Unterarm Gänsehaut verursachen. Little Annie ist das weibliche Gegenstück zu Johnny Cash!
Von Spar in der Volksbuehne
Nach einer Pause kommt mein eigentlicher Beweggrund heute Abend hier zu sein: „Von Spar“ aus Köln spielen eines der beiden Stücke von Ihrem neuen Album „A. Xaxapoya“, und zeigen wohin sich deutschsprachiger Neo-Punk entwickeln kann: Nämlich zu akribisch inszenierten theatralischen Soundflächen die einen wuchtig umschlingen. Die Jungs sind echte Sound-Nerds und trommeln sich und uns, auf dem Hintergrund einer Videoprojektion, in ihre Neudefinition von Musik. Dann erzählt uns Wolfgang Müller etwas über das Penis-Museum in Reykjavik und der Abend endet mit dem Organisator Khan of Finland der mit seiner Band (Piano & Beatbox) noch ein paar Trash-Songs inszeniert. Nachdem eigentlich schon Schluss ist, stürzt die Barfrau aus dem Bühnenbild nach vorne, wird dort zum Barmann und treibt mit einem geschrienen Lied den Trashfaktor auf die Spitze.

Ein gelungener Abend mit modernem Entertainment-Konzept: Kein abendfüllender Headliner, sondern eine Mischung von Trash, Travestie und Kunst in kleinen 20-Minuten Dosen – Also genau das Richtige für uns medienverseuchte Großstädter mit kleinen Aufmerksamkeitsspannen. Wann kommt Vol. 2?

United Trasher

Langsam flachen die Stasi 2.0 Wogen ab und es kehrt wieder etwas mehr Normalität bei Dataloo ein. Mit momentan 238 Kommentaren und einem unfassbaren Ansturm der Leser (5220 Besucher am 18.04.) sind wir vom Umfang der Reaktionen komplett kalt erwischt worden. Einen ausführlicheren Rückblick und Ausblick zu diesem Thema hat mir Dirk für die nächsten Tage angekündigt.

And Now For Something Completely Different.

Ich hab mir grade so überlegt, was eigentlich aus unserm Dataloo inzwischen geworden ist, und wie wir gestartet sind. Auf einer langen gemeinsamen Zugfahrt haben wir damals beschlossen ein Blog zu starten. Den Namen Dataloo haben wir dann von unserem Ex-Chef Holger geklaut und den Untertitel von einem filmischen Meisterwerk entliehen: United Trash ist ein extrem skurriler Film von Christoph Schlingensief bei dem der Name Programm ist. Vielleicht sollte man noch hinzufügen, dass der komplette Name „United Trash, Die Spalte – Jesu Panne ist unschlagbar“ lautet, und uns die Klappen-Kritik auf der Rückseite des Covers zur Mitnahme des Films bewogen hat. Da stand: „Christoph Schlingensief: Mein schlechtester Film!“. Dirk und ich wohnten 1998 gerade relativ frisch zusammen in einer Berliner WG und nach dem Film gewöhnten wir uns an, mindestens dreihundertmal am Tag irgendwelchen Menschen, Begebenheiten oder Dinge mit „Trash!“ zu kommentieren. Wenn es ganz schlimm war, zischten wir noch ein „… die Spalte“ hinterher. Ja so war das.

Trash – Die Spalte!

Unterwegs mit der Bahn

Über die Bahn zu lästern ist einfach: Verspätungen, überteuert und organisatorisches Bilderbuch-Chaos. Um es vorweg zu nehmen: Ich bin sowieso schon absoluter Bahnhasser und ziehe es vor, Mittel- bis Langstrecken mit den klimaunfreundlichen Billigflieger zurückzulegen. Jetzt musste ich allerdings aus familiären Gründen kurzfristig eine Fahrt in die alte Heimat buchen und die Flieger waren schon bei Spitzenpreisen. Sonntagmittag am Berliner Hauptbahnhof schon ausufernde Menschenmassen die ein zügiges Vorankommen im Keime ersticken. Ist das Gebäude aufgrund von diversen Sturmschäden jetzt schon im Sightseeing-Programm der Wochenendtouristen? Und ich habe Glück: Der erste Kartenautomat funktioniert und druckt mir meine vorläufige Bahncard25 aus. Die Bahncard war für mich bisher Ausdruck der Kleinbürgerlichkeit und lag in der Nähe von Campingplätzen, Gartenzwergen und Tchibo-Snowboardjacken (hab ich selbst eine). Der Zug kommt tatsächlich pünktlich. Allerdings ist die Reihenfolge der Wagen heute ausnahmsweise invertiert, was 5 Minuten vor Zugeinfahrt über die Lautsprecher verkündet wird. Sofortiges Chaos: Panische Großmütter kämpfen sich mit ihren Rollkoffern von Abschnitt „G“ zu „A“, also über den gesamten Bahnsteig. Natürlich versuchen die von Abschnitt „A“ zu ihrem reservierten Platz auf Abschnitt „G“ zu sprinten. Ich versuche ruhig zu bleiben und meinen Kater zu ignorieren.

Im Wagen angekommen entdecke ich, dass sich meine Platz-Reservierung entgegen meinen Wünschen im Raucherabteil befindet. Hier sitzen Susi, Maik und Ben wenn sie grade mal nicht in den Nachmittags-Talkshows sind: German White Trash. Außerdem ein kettenrauchendes Elternpaar das wie 50 aussieht, aufgrund ihres 5-jährigen leicht mutierten Sohnes allerdings wohl eher Anfang 30 ist. Sat1 und RTL hätten hier sicherlich eine hohe Erfolgsquote beim Rekrutieren von Talkshow-Kandidaten zum Thema „Inzucht schändete unser Kind“ oder „6 Aus 49 – Wer ist wohl der Vater?“. Ich bin total sauer weil ich keine Steckdosen finde um mein Laptop zu versorgen, denn das sollte doch der Vorteil der Bahnfahrt sein: 8 Stunden Arbeit, Spiel und Spaß mit dem Computer.

Diesen Text habe ich mit Akkustrom geschrieben, bis mir gerade der Schaffner erklärte wo die Steckdosen an jedem(!) Platz zu finden sind. Bahnfahren ist gar nicht so schlecht.

Trashiger Mittagstisch

Ich war grade auswärts zum Mittagstisch und da gab es eine Lektion was man alles falsch machen kann, wenn man neu in der Gastro-Branche startet:

  • Gäste sofort mit „Do you speak English“ anreden, da man kein Deutsch kann (besonders in Ostberlin sehr effektiv!).
  • Ständig husten, Nase hochziehen und nebenher Kette rauchen.
  • Ein Trinkglas bis zur Hälfte(!) mit Absolut Vodka füllen und damit hinter einem halbdurchsichtigen Vorhang verschwinden.
  • Essen (Dim Sum) mittlerer Qualität überteuert anbieten (bei dem extrem hohen Preis/Leistungs-Verhältnis der restlichen Gastronomie im Prenzlberg).
  • Behaupten das Dim Sum wäre „totales fun food“.
  • Sich mit dem vorbeikommenden Freund vor den Gästen auf Englisch streiten.
  • Beim Bezahlen das Wechselgeld aus einem Versteck(?) in einer Teedose ziehen.

Das war mein erster und letzter Besuch in diesem neuen Laden. Trotzdem war die Frau wirklich nett, so dass ich hier den Namen des Restaurants nicht nennen werde. Nächstes mal geht’s wieder zum Happy-Hour-Sushi-Mann nebenan.